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Modest Mussorgsky - Bilder einer Ausstellung
von Reimar Walthert

Bilder einer Ausstellung - Entstehungsgeschichte

 
Nach dem Tod Viktor Hartmanns am 23. Juli 1873 machte sich Mussorgsky die bittersten Vorwürfe, da er beim letzten Besuch des Architekten und Malers in Sankt Petersburg einen Schwächeanfall des Freundes zwar miterlebt, diesen aber nicht all zu ernst genommen hatte.

Der beim Tod Hartmanns im Ausland weilende Stassow beschloss 1874, nach seiner Rückkehr eine Ausstellung mit Bildern und Architekturskizzen des verstorbenen Künstlers zu dessen Ehren zu organisieren. Der Ausstellungskatalog umfasste etwa 400 Werke Hartmanns und erwähnte 50 weitere, die nicht gezeigt wurden. Zwei der aufgeführten Bilder, zwei Bleistiftzeichnungen, waren im Besitz Mussorgskys (Reicher Jude mit Pelzmütze, Sandomierz und Armer Jude aus Sandomierz). Sie sind heute nicht mehr auffindbar. Inspiriert von dieser Ausstellung schrieb Mussorgsky im Juli desselben Jahres die Klaviersuite Bilder einer Ausstellung.
Die ihm als Vorlage dienenden Bilder sind heute zum grossen Teil verschollen. Bei weiteren ist man sich nicht ganz im klaren darüber, ob man die Bilder kennt oder nicht, da Mussorgskys Titel nicht immer genau denjenigen entsprechen müssen, unter denen sie im Ausstellungskatalog erschienen waren. Die drei Bilder Il vecchio castello, Bydlo und Der Marktplatz von Limoges sucht man im Katalog vergeblich. Laut Stassow wurden einige Bilder zwar erst später der Ausstellung angefügt und sind somit nicht im Ausstellungskatalog verzeichnet, gleichzeitig steht aber auch fest, dass sich Mussorgsky von den Ausstellungsobjekten relativ frei anregen liess und deswegen auch von einem einzelnen Element eines Bildes berichten könnte. Unter diesen Voraussetzungen wäre es also durchaus auch denkbar, dass sich auf einem der zahllosen Bilder aus dem polnischen Sandomierz eines befand, auf dem sich irgendwo in einer Ecke ein Ochsenkarren verbarg, ohne dem Bild aber gleich den Namen Bydlo (polnisch für Ochsenkarren) geben zu müssen.
Dazu ist es auch noch möglich, dass Mussorgsky einige Bilder bei Hartmann schon persönlich gesehen und gekannt hatte. 
Von den beiden Bildern Armer Jude aus Sandomierz und Reicher Jude mit Pelzmütze, Sandomierz weiss man, dass sie Mussorgsky selbst gehörten. Sie sind heute aber nicht mehr auffindbar. Man vermutet darüber hinaus, dass sich Mussorgskys Bildbeschrieb auf ein weiteres Judenbild namens Samuel Goldenberg und Schmuyle bezieht. Gnomus und Die Hütte auf Hühnerfüssen behandeln kunsthandwerkliche Arbeiten Hartmanns. Gnomus war ein kleiner Spielzeugnussknacker und Die Hütte auf Hühnerfüssen eine Bronzeuhr im russischen Stil des 14. Jahrhunderts. Beim Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen handelt es sich um eine Skizze für das Kostüm des Balletts Trilby von Julius Gerber, einem Dirigenten, Geiger und Komponisten aus St. Petersburg. Das Bohatyr-Tor von Kiew schliesslich war eine Architekturskizze für ein riesiges Stadttor in Kiew. Es wurde zwar nie gebaut, dennoch mach-te es Mussorgskys Musik bekannt in alle Welt hinaus, und falls es in Kiew tatsächlich Touristen geben sollte, so werden wohl einige das grosse Tor zu sehen verlangen…
Das heute noch vorhandene Bildermaterial befindet sich zum grössten Teil in der Tretjakow-Galerie in Moskau.

 

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